KRISE IM BAUSEKTOR UND DIE FOLGEN FÜR DIE STADT AUGSBURG

Foto: Ruth Plössel/Stadt Augsburg

Jürgen K. Enninger äußert sich zu Auswirkungen der Kostensteigerungen auf die Theatersanierung

Jürgen K. Enninger, Referent für Kultur, Welterbe und Sport in Augsburg, führt die gestiegenen prognostizierten Baukosten um rund 76 Millionen Euro auf die Krise im Baugewerbe, insbesondere in den Jahren 2018 bis 2021 zurück. Davor lagen die durchschnittlichen Baukostensteigerungen bei rund vier Prozent im Jahr. Entsprechend haben die Planer den Risikozuschlag über den zu erwartenden Bauzeitraum gerechnet, wenn es galt, die Gesamtkosten zu prognostizieren.

Was infolge von Corona-Pandemie, Lieferketten-Problemen im globalen Handel, dem Fachkräftemangel auf dem Bau und dem russischen Angriffskrieg in den Jahren 2021 bis 2023 an Baukostensteigerungen entstand, war nicht vorauszusehen: „Die realen Baukosten sind in manchen Quartalen um mehr als 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr förmlich explodiert. Glücklicherweise haben sich die Baukosten in den letzten Quartalen wieder stabilisiert“, sagt Enninger im Vorgriff auf seinen entsprechenden Bericht im Stadtrat am Donnerstag, 25. Juli. Die Kostensteigerungen seien also nicht auf Planungsfehler, Zusatzwünsche oder bauliche Entscheidungen zurückzuführen, sondern auf die extremen Baupreissteigerungen. Derartige Kostensteigerungen bei Bauprojekten seien nach Aussage Enningers kein Augsburger Phänomen, sondern betreffen Kommunen deutschlandweit.

Sanierung und Neubau sind nach wie vor von der Stadt leistbar und möglichst schnell zum Abschluss zu bringen, um unnötige Mehrkosten zu vermeiden. Die Handlungsfähigkeit der Stadt bleibt gesichert.

Man müsse die begonnene Sanierung nun an einem Stück durchziehen. Nur so können unkontrollierbare Kostenmehrungen aufgrund von Stillständen oder Verzögerungen sicher ausgeschlossen werden. Hierfür müssten nun die richtigen Schritte eingeleitet werden, um die Sanierung und den Neubau zügig fertig zu stellen.

Die Baukosten werden zu über 50 Prozent vom Freistaat getragen. Neben den nötigen Krediten verfügt die Stadt über Rücklagen, die es ihr ermöglicht dieses Vorhaben zu finanzieren. Kulturräume seien nach Aussage Enningers auch Bildungsräume. Der Bau von Schulen werde weder eingestellt noch verzögert.

Auch im Bereich der Sportinfrastruktur ist die Stadt sichtbar aktiv. Zuletzt wurden im Bauausschuss Maßnahmen (u. a. Ersatzneubau Spickelbad) in Höhe von 20 Millionen Euro beschlossen, die diese Infrastruktur zukünftig sichern sollen.

Augsburg als Kulturmetropole europäischen Ranges

„Augsburg ist eine Kulturmetropole europäischen Ranges, eine kulturhistorisch bedeutende Stadt mit über 2.000-jähriger Geschichte. Sie steht auf Augenhöhe mit anderen Städten ähnlicher Größenordnung in Europa wie Bilbao, Thessaloniki, Florenz, Utrecht, Córdoba und Graz. Um dieser Funktion weiter Rechnung zu tragen, ist ein Staatstheater unabdingbar“, sagt Enninger. „Das Staatstheater ist mit seinen 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein bedeutsamer Teil eines kulturellen Ökosystems, das Wechselwirkungen zu künstlerischer Ausbildung und in die Freie Szene befördert, aber auch die wirtschaftliche Attraktivität eines Standorts steigert und deutlich werden lässt“, so Enninger weiter.

Staatstheater als wichtiger Standortfaktor

Laut einer aktuellen Studie beläuft sich die jährliche Wertschöpfung des Theaters auf 32,8 Millionen Euro, Umwegrentabilitäten noch nicht eingeschlossen. Darüber hinaus ist das Staatstheater auch durch die wirtschaftliche Brille der Stadt betrachtet für die Ansiedelung von Fachkräften als weicher Standortfaktor von großem Wert, aber auch für den Tourismus ist ein Staatstheater eine wichtige Einnahmequelle. Viele Beispielprojekte zeigen die imagefördernde Funktion von Kultur, bei konsequentem Setzen auf kulturelle Stadtentwicklung. Gerade Bilbao zeichnet ein Bild, wie Veränderungen der Deindustrialisierung hin zur Dienstleistungsgesellschaft deswegen gemeistert werden können, weil die Stadt konsequent auf kulturelle Stadtentwicklung setzt. Dieser „Bilbao-Effekt“ gilt als Vorbild für Stadtentwicklung weltweit.

Theater wird nach Fertigstellung der modernste und funktionalste Theaterbau in Bayern sein

Mit der Sanierung des Staatstheaters inklusive Erweiterungsbau wird für die Kulturmetropole Augsburg ein modernes 5-Sparten-Haus entstehen, welches dann einmalig in Bayern sein wird. Somit entsteht ein Alleinstellungsmerkmal, das zu einer besonderen Anziehungskraft der Stadt überregional führen wird.

Kulturpolitische Bedeutung eines Staatstheaters im Herzen der Stadt

Kulturreferent Enninger: „Das Theater wird der kulturelle Pulsschlag im Herzen der Stadt und ein sogenannter Dritter auch konsumfreier Ort. Im kulturellen Kontext ergänzen sich die Sanierung und der Neubau des Staatstheaters, die Erhöhung der Förderung der Freien Szene und der Projektförderungen und auch der Welterbetitel mit ihrer übergreifenden kulturpolitischen Funktion einer historischen Mahnung nach mehr Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung.“

Auch ergeben sich durch die Ergebnisse der Bürgerwerkstatt und der Vermittlungsarbeit des Staatstheaters enge Vernetzungen mit den kulturellen Szenen aller Sparten. Hier geht es um ein entschiedenes Sowohl-als-auch“ nicht um ein „Entweder-oder“.

Aufwertung des Theaterquartiers und der Stadt Augsburg im Allgemeinen

Durch neu geschaffene Orte (öffentliche Kantine, Multifunktionsbühne, Bar/Café, offener Orchesterprobensaal, öffentliche Theatervermittlung) und Plätze (Verkehrsberuhigte Kasernstraße und Theaterstraße, Kulturspielplatz, Platz vor dem Weißen Lamm) erfährt auch das gesamte Theaterquartier eine Aufwertung.

Anhand einer Studie der Pendelbewegungen nach Corona in der Metropolregion München der TU München besteht die Gefahr, dass sich Augsburg langfristig zu einer Pendelstadt entwickeln könnte. Um diesem Prozess deutlich entgegenzuwirken, kommt der Kultur eine besondere Bedeutung zu: Sie stiftet laut Enninger Identität und Zugehörigkeitsgefühl und damit auch Resilienz gegen eine Reduktion auf eine rein raumbezogene Funktionalität. Kultur bilde und forme ein urbanes Selbstbewusstsein gerade in der engen Verbindung aus Sub-, Pop- und sogenannter Hochkultur.

„Eine vielfältige Kulturszene in der Stadt ist ohne ein funktionierendes Staatstheater nicht denkbar und eine wirtschaftlich erfolgreiche und zukunftsfähige Stadt ist ohne vielfältige Kulturszene nicht denkbar“, erklärt Jürgen K. Enninger, Kultur-, Sport- und Welterbereferent der Stadt Augsburg das kulturelle und kreativwirtschaftliche Ökosystem der Stadt.

Weitere Informationen finden Sie im Ratsinformationssystem unter folgendem Link:https://ratsinfo.augsburg.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=17712